Verkehrslärmfernwirkung in der Bauleitplanung Niedersachsens: Klärung des Beurteilungsmaßstabs
Die Kooperation zwischen Schallgutachtern der ted GmbH und dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz bietet Gemeinden eine Abwägungshilfe für die planbedingten Mehrverkehre
Autor: ted GmbH | Datum: 17. November 2023
Die Bauleitplanung in Niedersachsen steht vor einer zunehmenden Herausforderung – die angemessene Bewertung der Verkehrslärmfernwirkung und planbedingter Mehrverkehre. Diese Themen sind von großer Tragweite, da sie nicht nur die Planung von Bauvorhaben, sondern auch die Lebensqualität der Anwohner erheblich beeinflussen. In einem Schulterschluss zwischen den Schallgutachtern der ted GmbH und dem Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) wurde eine Abwägungshilfe erarbeitet, die den Gemeinden in Niedersachsen als Leitfaden bei der Klärung des Beurteilungsmaßstabs für die Verkehrslärmfernwirkung in der Bauleitplanung dient.
Schallgutachter sind Experten auf dem Gebiet des Schallschutzes und spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewertung akustischer Auswirkungen im Rahmen von Bauleitplanungen. Daher ist es für sie von großer Wichtigkeit, klare rechtliche Standards und verbindliche Leitlinien zur Verfügung zu haben, um die Verkehrslärmfernwirkung angemessen einschätzen zu können. Aus diesem Grund traten die Gutachter der ted GmbH an das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz heran, um Klarheit über den Beurteilungsmaßstab in Niedersachsen zu erlangen.
Eine bemerkenswerte Zusammenarbeit zwischen Vertretern des Referats 34 des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) und den Staatlichen Gewerbeaufsichtsämtern (GAÄ) Niedersachsen als Träger öffentlicher Belange in der Bauleitplanung begann, diese Fragestellung zu erörtern. In diesem Prozess trat eine bedeutsame rechtliche Entwicklung zutage, die das Verständnis der Verkehrslärmfernwirkung in der Bauleitplanung erheblich beeinflussen wird.
Am 4. Mai 2023 veröffentlichte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg ein Urteil (OVG Niedersachsen AZ.: 1 KN 105/21 v. 04.05.2023), dass die Frage nach der Abwägungshilfe für Schallgutachter und Gemeinden aufgriff und entscheidend konkretisiert. Dieses Urteil enthält einige entscheidende Punkte:
- Wenn der Verkehr, der durch das geplante Bauvorhaben verursacht wird, sich in Quantität oder Qualität deutlich vom vorhandenen Verkehr unterscheidet und daher als Quell- oder Zielverkehr in Erscheinung tritt, kann er als abwägungserheblicher Belang betrachtet werden.
- Zur Festlegung des zu betrachtenden räumlich überschaubaren Bereichs kann die Bestimmung des Abschnitts 7.4, Absatz 2 der TA Lärm (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm) herangezogen werden. Dabei wird ein Abstand von 500 Metern zum Betriebsgrundstück als Richtwert empfohlen.
- Eine Schallpegel-Erhöhung von etwa 1 Dezibel (dB) aufgrund der plangebenden Mehrverkehre kann unter Berücksichtigung der vorhandenen verkehrlichen Vorbelastung und der Schutzwürdigkeit der Siedlungsgebiete außerhalb des Geltungsbereichs nicht als abwägungsrelevant betrachtet werden. Dies basiert auf allgemeinen akustischen Erkenntnissen, die darauf hinweisen, dass eine Lärmsteigerung nahe 1,0 dB für das menschliche Ohr im Allgemeinen nicht wahrnehmbar ist.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht legte somit eine klare Richtlinie für die Beurteilung der Verkehrslärmfernwirkung in der Bauleitplanung fest, wobei insbesondere eine Schallpegel-Erhöhung von mehr als 1 dB als abwägungsrelevant angesehen wird.
Die Vertreter des Referats 34 des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz schlossen sich dieser Meinung an und betrachten die Vorgaben des Abschnitts 7.4, Absatz 2 der TA Lärm als praktikablen Ansatz für eine typisierte Betrachtung des räumlich überschaubaren Bereichs.
Diese Entwicklung schafft Klarheit und Transparenz und unterstützt die Gemeinden dabei, fundierte rechtssichere Entscheidungen im Sinne des Schallschutzes und der Lebensqualität ihrer Bürger zu treffen.
Es bleibt zu hoffen, dass andere Bundesländer diesem Beispiel folgen und ähnliche Abwägungshilfen entwickeln, um den Prozess der Bauleitplanung in Deutschland weiter zu optimieren und die Lebensqualität der Bürger zu schützen. Die enge Zusammenarbeit zwischen Schallgutachtern und Behörden zeigt, wie durch Kooperation und Wissensaustausch innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen gefunden werden können.